
Wie groß darf ein Geschenk sein?
Cluse Krings
Ende des 18. Jahrhunderts erschütterten zwei Ereignisse die Welt: Zunächst die Amerikanische, dann die Französische Revolution. Sie markierten den Siegeszug dessen, was später Kapitalismus genannt wurde.
Ein Jahrhundert danach bewies Karl Marx1, dass der Kapitalismus nur eine vorübergehende Erscheinung sein könne und sich selbst vernichten werde. Im 20. Jhd. erfolgten daraufhin mit der Oktoberrevolution in Russland und dem Langen Marsch in China Versuche den Kommunismus einzuführen. Es begann eine Systemauseinandersetzung, die schließlich in den Kalten Krieg mündete.
Auf die Entdeckung einer dritten Variante des Wirtschaftens, des Potlatch2, hatte weder der Sowjet-Block noch der kapitalistischen Westen Appetit. Man verspürte wenig Bedürfnis nach einer weiteren Konkurrenz. Und so ist diese Variante so gut wie unbekannt geblieben. Nachdem der Kommunismus offenkundig versagte und der Kapitalismus in einer weltumspannenden Krise steckt ― könnte nun diese dritte Form Hoffnung geben? Einen Weg in die Zukunft weisen?
Zunächst sprach der Staatsfunk noch beschönigend von einer „technischen Rezession“. Inzwischen muss die Bundesregierung zugeben, dass Deutschland sich seit drei Jahren in einer Stagflation befindet, einer Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation und Inflation.
Aus dieser Lage wissen bürgerliche Ökonomen traditionell kein Entkommen. Andere Staaten ― bis hin zum gefürchteten China ― stehen ebenfalls großen wirtschaftlichen Verwerfungen gegenüber.
Obwohl Chinas e-Autos in allen Ländern triumphieren, von den preiswerten BYD, die demnächst in fünf Minuten3 aufzuladen sein werden, bis zu einer Luxuskarosse namens Hongqi4, die, obschon voll elektrisch, dem BMW-Rolls-Royce verblüffend ähnlich sieht. Jedes verkaufte von ihnen ist ein europäisches, das nicht mehr produziert wird. Längst ist Deutschland in einem globalen Verdängungs-Wettbewerb, die heimische Autoindustrie wird schrumpfen. In Panik avisierte ― und wieder zurückzunehmende ― Zölle des Donald Trump belegen die Ratlosigkeit der prokapitalistischen Politik.
Der Parteitag der Linken auf der anderen Seite des Spektrums brachte lediglich schlechte Musik, ein wenig egalitäre Folklore, Gender-Unsinn und die Erkenntnis, dass die Konzepte der Linken in einen diktatorischen Staat münden würden. (In Zeiten der CoViD19-Hysterie standen sie bereits stramm an der Seite der Repression.) Wäre ein dritter Weg da nicht wenigstens bedenkenswert?
Schenken statt Raffen
Der Homo Sapiens ist ― nach derzeitiger Erkenntnis ― rund 300.000 Jahre alt5. Das Geld und die damit einhergehenden Institutionen der Geldwirtschaft incl. Schuld und Zins kamen erst vor gut 3.000 Jahren in Babylon in die Welt und verbreiteten sich zunächst im semitischen6 Sprachraum, dann in der hellenistischen und römischen Welt. Mithin ist als Tatsache festzuhalten, dass der heutige Mensch 297.000 Jahre lang ganz ohne Geldmittel überlebt hat. Glaubt man den Ideologen des Kapitalismus, dann beherrschte der Tauschhandel diese riesige Zeitspanne. Und der sei durch die Einführung des Geldes erheblich erleichtert worden.
Die Anthropologie aber, die Wissenschaft vom Menschen, seinen Kulturen und Institutionen, widerspricht: Der Geldwirtschaft war in Wahrheit eine relativ unstrukturierte Mischung aus individuellen wie kollektiven Leistungen vorausgegangen. Die geschaffenen Werte wurden mangels Geldes und der Unmöglichkeit, den Wert einer Ware „objektiv“ zu ermitteln, in großen Mengen verschenkt, wobei ein gegebenes Geschenk zu einem zeitlich versetzten Gegengeschenk verpflichtete.2 (Wenn mir heute jemand etwas zum Geburtstag gibt, darf ich dessen Geburtstag im kommenden Jahr auf keinen Fall vergessen.) Und immer war der Austausch der Gaben von Festessen, Musik und Tanz begleitet. Es entstanden geografisch weit ausgedehnte Zonen, in denen Güter zirkulierten, Feste gefeiert wurden und ― wegen der sozialen Bindewirkung der Gaben ― Friedenspflicht herrschte.2
Das Wort Potlatch für den Ringtausch von Geschenken horchte der „Vater der amerikanischen Anthropologie“, der Deutsche Franz Boas7, den Ureinwohnern im kanadischen Nord-Westen ab. In kolonialer Anmaßung wurden die Feiern und Rituale 1885 durch einen Zusatz zum kanadische Indianergesetz8 unter Strafe gestellt. Dieses Gesetz ist inzwischen aufgehoben, und die First Nations haben ihren Potlatch wieder aufgenommen. Fürs Erste dient er der kulturellen Selbstvergewisserung der Stämme, ihren Allianzen und ihrer politischen Repräsentanz gegenüber der weißen Regierung Kanadas. Es ist rührend zu sehen, wie große Stämme wie etwa die Haida sich um die versprengten Mitglieder der durch eingeschleppte Krankheiten dezimierten Völker bemühen, sie mit neuen Identifikationssymbolen ausstatten― Zeremonialgewändern, Stammeszeichen, Totempfählen ― und in den Kreis ihres Potlatchaufnehmen. Parallel zu unserer Weltkrise (Finanzen, Währung, Umwelt, Absatz, Identität, Parlamentarismus, Kriegsgefahr) beginnt in British Columbia9 eine Rückbesinnung, in der die heutige Welt sich mit uralten Traditionen verknüpft: Man kommt in Jeans und Arbeitsschuhen im SUV oder Pick-Up in neu errichtete Zeremonialhäuser, einige legen traditionelle Gewänder an, andere nicht, alte Frauen, junge Mädchen und einige Jungs tanzen hingebungsvoll, viele erwachsene Männer eher stocksteif ― Rhythmus und Schritte sind noch ungewohnt. Beerdigungen werden so begangen und wichtige Tage im Jahreslauf. Und schon wieder werden Geschenke vergeben. So ein sehr teures und begehrtes Fischöl, das nicht käuflich, sondern nur als Geschenk erhältlich ist.
Doch nicht nur bei den Stämmen um Vancouver ist eine Potlatch-Kultur noch vorhanden resp. zurückgekehrt. Auch in weiten Teilen Süd-Ost-Asiens, in Polynesien zum Beispiel, lebt das Verschenken erheblicher Werte fort, immer im Rahmen großer Feierlichkeiten. Je nach Volksgruppe sind verschiedene Bezeichnungen in Gebrauch, allein die Anthropologie bleibt beim Namen Potlatch. Sollten die Währungen weltweit in Turbulenzen geraten ― die örtliche Bevölkerung bliebe verschont von Auswirkungen: Der Potlatch würde sich auf weitere Geschäftszweige ausdehnen und geldlos zur ihrer Versorgung beitragen.
Böte ein Ausstieg aus Geld- und Finanzwirtschaft einen Ausweg aus der Schuldenfalle und dem Zwang zu immerwährendem Wachstum mit allen Begleiterscheinungen wie Umweltzerstörung, sozialer Isolation, Stress, Schlaflosigkeit, kardiovaskulären Erkrankungen, Angststörungen? Wäre eine obligate Friedenspflicht zwischen Handelspartnern unserer Psyche nicht zuträglicher als die Konkurrenz aller gegen alle?
Ein Gedanke löst Widerstände aus
Selbstverständlich steht dieser Idee vor allem entgegen, dass sie so völlig unbekannt geblieben ist. Aber auch der Versuch, Menschen dieses Konzept näher zu bringen, löst Widerstände aus. Da ist zum einen und zuvörderst die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns, das dem Hirnphysiologen Gerhard Roth10 zufolge praktisch jede Entscheidung von lange vorher abgespeicherten Gefühlen und damit von vorgefassten Bewertungen abhängig macht. Wir reagieren nicht situationsbezogen adäquat, logisch, folgerichtig, umsichtig. Ob wir ein positives Gefühl zu einem Beschluss entwickeln können, das ist der Gradmesser. (Ein Außenstehender mag die Unsinnigkeit einer Entscheidung erkennen, der Entscheider selbst nicht.) Nun können wir aber nur gefühlsmäßigen Bezug nehmen auf Dinge, die wir bereits kennen, die mithin in der Vergangenheit liegen ― gänzlich Neues fällt durchs Raster, und das ist Ursache für die weit verbreitete Neophobie, die Angst vor dem Neuen. Ich erlebe aggressivste Antworten auf mein Werben für den Potlatch: „Ich habe nichts zu verschenken!“ „Ich gebe nichts her!“ Die Menschen leben bereits mit solchen Verlustängsten, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, ihnen könnte etwas geschenkt werden in dem Verfahren ― sie befürchten nur, abgeben zu müssen. Daher ist leider zu vermuten, dass es zu keiner Umorientierung kommen wird und wir starrköpfig in den Untergang unserer Wirtschafts- und Sozial- ordnung stolpern.

Dabei ließen sich viele unserer Errungenschaften und unsere Lebensqualität möglicherweise noch retten, wenn wir geordnet und ohne Gewalt in eine neue Periode gehen könnten. Unsere Politiker jedoch ziehen den Weg in eine Kriegsspirale vor, wie die völlig überzogenen Rüstungsausgaben nahelegen. Wenn alles zerstört ist, lässt sich ohne Umdenken und mit ihren alten Konzepten wieder von vorn anfangen. Ein möglicher Neubeginn nach der Katastrophe ― mit oder ohne Potlatch— wird dann kaum noch unserer Lebensqualität von heute ähneln. Man schaue sich den Gaza-Streifen an.
Und da das Thema staatliche Diktatur bereits oben angeklungen ist: Potlatch-Gesellschaften lassen sich nicht staatlich bevormunden, ihre Mitglieder nicht in Lohnarbeit zwingen. Die weißen Siedler des 19. Jhds. betrieben vor allem Sägewerke, um den Reichtum Kanadas an hoch gewachsenen kräftigen Hölzern auszubeuten. Dazu stellten sie Indianer ein. Die arbeiteten zuverlässig, denn das ihnen bis dahin unbekannte Geld eröffnete ihnen den Weg in die Läden der Europäer. Dort gab es Dinge zu kaufen, die in den Wäldern des Nordens noch niemand gesehen hatte: Flinten, Geschirr aus Metall oder Porzellan, Glas, Bier, Alkohol jeder Art. Das kauften sie von ihrem Lohn, gingen zurück in ihre Versammlungshäuser, hielten Potlatch und kamen monatelang nicht wieder zurück. Hierin ist die tatsächliche Ursache zu finden für das Potlatch-Verbot.
Kann man einen Mercedes verschenken?
In die Diskussion über die nicht geldbasierte Schenkökonomie werden aber auch ernst zu nehmende Gegenargumente eingebracht: Etwa die Bedenken, ob ein archaisches System, an dem Hunderte oder Tausende von Individuen teilnehmen, denn unter Millionen auch noch funktionieren könne? Es ergibt sich also das Problem der Skalierung. Doch sollten wir eine zweifache Skalierung ins Auge fassen: Der Potlatchmüsste hochskaliert, unsere Lebenswelt aber herabskaliert werden.
Wobei wir zunächst dem Irrtum aufsitzen, unseren derzeitigen Zustand für Norm gebend oder gar ideal anzusehen. In den 1960-er Jahren funktionierte unser Wirtschaftssystem reibungslos ― viel besser als heutzutage ― aber in wesentlich kleinerem Maßstab. Wer sagt denn, dass zur Versorgung einer menschlichen Gemeinschaft mit Medikamenten Lieferketten von 9.000 Kilometern oder mehr vonnöten seien? Antwort: Die kapitalistische Logik der Profitmaximierung. Wenn wir aber ohne Geld wirtschafteten, das in seiner eigenen Logik immerwährendes Wachstum einfordert? Dann ließe sich eine Limousine ebenso freigebig verschenken wie anderenorts Wasserbüffel, Kanus oder Auslegerbote, die allesamt große Werte darstellen. Und ein nicht unwichtiger Nebenaspekt: Ehrlich arbeitende Menschen, die in der heutigen Hackordnung des Kapitalismus kaum vom 20. bis Monatsende kommen, erlangten gerechterweise dann auch Zugang zu hochwertigen Produkten.
Die Frage ist allerdings, ob sich geldlos ein Mercedes auch herstellen ließe? Die Antwort: Womöglich ja, aber nicht auf die Art, die wir heute kennen. Früher saßen die Zulieferer auf Dörfern und in Kleinstädten rings um Volkswagen, BMW oder Ford. Heute kommen viele Teile über Tausende Kilometer Entfernung. Damals durchzogen wir unser Land mit einem dichten Netz an Autobahnen, um einen Austausch der Bauteile zu gewährleisten. Zu solch einem überschaubaren und verlässlichen System zurückzukehren, würde keinen Nachteil darstellen ― sofern wir uns frei machten vom kapitalistischen Zwang, Jahr auf Jahr Zuwächse bei den Umsatzzahlen zu erzielen. Da es dann um die Versorgung mit Sinnvollem ginge, würden keine Sollbruchstellen mehr eingebaut werden, kein künstliches Altern. Ein Auto könnte locker 80 Jahre dienen. (Ich beobachte auf Bahnhöfen kompakte Rangierlokomotiven mit Dieselantrieb, die ich schon auf meiner kindlichen Modelleisenbahn hatte ― vor 55 Jahren. Sie sind immer noch intakt.) Wie wenige Autos hätten wir herstellen müssen, wenn jedes einzelne jahrzehntelang seinen Dienst getan hätte? Das Straßenbild einer Potlatch-Gesellschaft gliche dem von Havanna, bloß dass die alten Kisten nicht rosteten und immer noch 1A führen. Der stilistische Einheitsbrei der heutigen Automobilwelt scheint dem gegenüber wenig inspirierend.
Und noch etwas: Der Potlatch sieht vor, dass eine Überproduktion an Geschenken zeremoniell vernichtet wird. Die Freudenfeuer ersetzen den Krieg, der hierzulande der Kapitalvernichtung dient.
Eine bislang unbekannte Form der Anarchie?
Viele Theoretiker des 19. Jhds. haben sich den Kopf zerbrochen über mögliche Institutionen der Anarchie. Sie haben sich die Anarchie, den Marx’schen Ideen folgend, als einen Rückbau aus der Industriegesellschaft vorgestellt. Doch im uralten Potlatch finden wir eine geeignetere Blaupause für die Anarchie, und sie ist geprägt von sozialer Kontrolle ohne staatliche Gewalt. Also die Regelung von Streitigkeiten und antisozialem Verhalten ohne Polizei, Gerichte und Knäste im direkten Austausch zwischen Geschädigtem und Aggressor, moderiert von der Geschenke ausgebenden Versammlung. Nun ist die Anarchie von der allgegenwärtigen Propaganda aller Länder gründlich in Misskredit gebracht, weil sie eben das Ende der Macht jedweder gerade herrschenden Elite bedeutete.
Der Historiker Rudolph Rocker11 umreißt das Wesen der Anarchie als eine Tendenz in der Menschheitsgeschichte, die ― entgegen der Bevormundung durch klerikale und Regierungsinstitutionen ― auf die freie Entfaltung der individuellen und sozialen Ressourcen des einzelnen abzielt beim Wiederaufbau des Wirtschaftslebens von „unten nach oben“ nach einem Zusammenbruch.
Die Anarchie scheint übrigens mehr im Kommen zu sein, als manch einem von uns klar sein dürfte: Der kanadische Dokumentarfilmer Dylan Reibling12 führte während einer Diskussion aus, dass sich die Mannschaft um Trump und Vance als Anarchisten verstünden, die jedoch nicht von einer Prämisse der Gleichheit, sondern im Gegenteil der Ungleichheit der Menschen ausgingen. Er unterschied zwischen dem „linken europäischen“ und dem „rechten amerikanischen Anarchismus“. Wir dürfen davon ausgehen, dass die AfD unter dem Einfluss von Musk et al. dem letztgenannten zustreben wird.
Ein Hoch auf das Landleben
„Ich bin erfreut“, schrieb mir Gunther Sosna13 in einem Kommentar, „dass in diesen Zeiten der Konformitäten und totalen Gleichschaltung kritische Denker … den Ausblick auf eine ganz andere Zukunft wagen, die sich aus den aktuell zu beobachtenden Machtspielchen der herrschenden Klassen nicht ablesen lässt.“ Der Ausweg fände sich auf dem Land, in kleinen Gemeinden, Kommunen, autonomen Zirkeln, der „Dorfakademie“, wo alles umgesetzt werden könne in Vorbereitung auf die Zeit nach dem Ende der Megamaschine. Über die städtischen Eliten machte er sich im Gespräch hingegen keine Illusion: Sie betrieben nur noch Besitzstandswahrung.
Vielleicht hätte tatsächlich die Landbevölkerung die Möglichkeit, eine kommende Verknappung abzufedern ohne dabei in gewalttätige Verteilungskämpfe zu geraten. Das würde Zeit erkaufen, die es bräuchte, die Skalierungen mit Bedacht vorzunehmen ― und gegebenenfalls Fehler zu machen und Fehler zu korrigieren. Denn ein gänzlich neues Wirtschaftssystem kann von niemandem in einem Zug auf den Weg gebracht werden. Es täte Not, an den Universitäten wirklich revolutionäre Zukunftskonzepte zu erforschen, anstatt den x-Tausendsten Doktor-Titel zu vergeben für jenes betriebswirtschaftliche Voodoo, das längst nichts mehr erklärt und erst recht keine Lösungen hervorbringt.
Wenn nicht jetzt…
Nein, wir werden nicht umsteuern, bevor es zu spät ist ― wegen der uns inhärenten Neophobie. Doch sollte es zu Zusammenbruch und Zerstörung kommen, könnte die Potlatch-Ökonomie Teil einer neuen Weltordnung werden, wenn die Menschheit einen Augenblick lang zerknirscht ihre Fehler einsieht. So wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als man mit Weltbank und Internationalem Währungsfonds Institutionen des Ausgleichs zwischen den Volkswirtschaften schuf, die allerdings bald schon von der Logik des Raffens korrumpiert wurden. Tatsächlich wird in kleinen fortschrittlichen Zirkeln bereits über neue Formen des Wirtschaftens nachgedacht. Vor allem will man dem Geld die Möglichkeit nehmen, per Zins und Zinseszins riesige unproduktive Vermögen zu bilden. Doch bleiben die Theoretiker der Neuen Ordnung auf halbem Weg stecken: Sie wollen das kapitalistische Wirtschaften im Prinzip beibehalten, allein dem Geld die Akkumulation vorenthalten. Das führte aber im nächsten Schritt in eine staatliche Diktatur, die alle Geldströme überwachen und mit Zwangsmaßnahmen eingreifen müsste. Zu Ende gedacht aber, kann, was 297.000 Jahre lang dem Überleben diente, nicht ganz falsch gewesen sein. Und: wer einmal unter Schutz und Schirm des Potlatch steht, wird nur widerstrebend ins Haifischbecken des Kapitalismus zurückkehren wollen. Die Indianer jedenfalls haben ― trotz Verbots und Drohung mit Gefängnis ― weiterhin im Verborgenen gefeiert und beschenkt. Der Potlatch wird sich als resistenter erweisen gegen die Raffgier als einst Weltbank und IWF.
Sehen Sie auch:
Cluse Krings | NARRATIVE #201 by Robert Cibis – Systemende
1 Das Kapital Bd. 1-3, Karl Marx, 1867, 1885, 1894
2 Essai sur le don (Die Gabe), Marcel Mauss, L’Année Sociologique Bd. 1, 1923
3Tesla on notice: BYD’s new EV battery delivers 292 miles range in 5-minute charge,in https://interestingengineering.com
4https://www.hongqi-auto.com
5 Earlies Known Human Fossils Found in Morocco, in Nature Middle East, 2017
6 Der semitischen Sprachgruppe gehören unter anderem das Akkadische an, das Babylonische, das Kanaanäische, das Aramäische, das Phönizische, das Arabische und Hebräische. Die Bezeichnung „semitische Sprachen“ wird Ende 18. Jhd. durch den Göttinger Philologen August Ludwig von Schlözer, *1735, †1809, in Anlehnung an die biblische Person des Sem geprägt, der Stammvater vieler Geschlechterdes Nahen Ostens gewesen sein soll.
7Franz Uri Boas, *1858 in Minden, †1941 in New York City, Anthropologe Begründer des Cultural Relativism, der Lebensumstände, Klima und Kultur von Eingeborenen berücksichtigt
8 Indian Act, Loi sur es Indiens, erlassen vom Parliament of Canada, 1857 1885 Zusatz des Potlatch Law zur Unterbindung religiöser Zeremonien
9 Provinz im äußersten Nordwesten Kanadas um Vancouver
10 Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern, Gerhard Roth,
13. Auflage, 2019, Stuttgart
11 Zitiert nach Notes on Anarchism, Noam Chomsky, 1970
12 Dok Fest 2025, München
13 https://www.ende-der-moderne.info