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Sozialsynthesen
Robert Cibis spricht mit Professor Dr. Werner Patzelt, bekannt für seine umfangreiche Aufklärungsarbeit zu Politik und Parlamentarismus. Mit bestechender Differenzierung und Distanz zur medialen Hysterie des Alltags zeichnet der Politikwissenschaftler ein Skizze des Gemütszustandes der Deutschen. Immer wieder schmückt er sie mit dem leicht verstecktem Lächeln des analytischen Betrachters einer Gesellschaft im Umbruch.
Professor Patzelt beschreibt seine Motivation als Verpflichtung, der Gesellschaft, die ihm ein erfolgreiches Leben ermöglicht hat, etwas zurückzugeben, indem er komplexe Dinge gründlich bedenkt und erläutert. Er kann als „Deutsch-Deutscher Brückenbauer“ bezeichnet werden, jemand der dem Osten den Westen erklärt und umgekehrt.
Zur aktuellen Stimmung in Deutschland rät Patzelt von Hysterie ab, stellt aber fest, dass viele vermeintliche Selbstverständlichkeiten (wie ständige Wohlstandsvermehrung und weltweite Friedlichkeit nach 1989) zusammenbrechen. Er erklärt dieses Phänomen mithilfe des Konzepts des „ökonomischen Grenznutzens“: Erfolgreiche Politiken – etwa in der Migrationspolitik oder beim Sozialstaat – erreichen ihre Grenzen, an denen weitere „Investitionen“ keinen proportionalen Nutzen mehr bringen. Patzelt betont, dass man intellektuell akzeptieren muss, dass, was gestern richtig war, heute nicht mehr richtig sein muss. Das Gespräch untersucht die Dialektik kultureller und politischer Prozesse. Patzelt sieht vor allem das Phänomen, dass progressive Entwicklungen ihren Grenznutzen erreichen und ins Destruktive umschlagen können. Dies erfordere eine Synthese, die Altes und Neues verbindet.
Hinsichtlich der politischen Debatte unterscheidet Patzelt zwischen notwendiger Höflichkeit und dem „Repressionswillen“ jener, die ihre kulturelle und intellektuelle Hegemonie – derzeit eine linke, grüne Hegemonie, die durch den Marsch der 68er durch die Institutionen entstand – herausgefordert sehen. Diese Hegemonie führt zur „Problemverschiebung“: Anstatt Probleme zu besprechen, werden Kritiker durch Etiketten wie „Rassistisch“ oder „Faschistisch“ ausgegrenzt und ihre Sprache kritisiert. Patzelt warnt, dass die dadurch entstehenden „Sozialstrafen“ die öffentliche Diskussion und die spontane Debatte einer freien Gesellschaft ersticken und so die Freiheit abgewürgt wird.
Patzelt analysiert die Krise des Parlamentarismus. Er kritisiert, dass immer mehr Politiker in den Bundestag einziehen, die ihre Karriere ausschließlich in der Partei machten und keine Autorität oder Lebensleistung außerhalb ihres politischen Amtes besitzen. Er schlägt vor, das deutsche Wahlrecht inspiriert vom angelsächsischen Wahlrechts zu ändern, bei dem Abgeordnete nur durch Direktmandate (und nicht über Parteilisten) ins Parlament gelangen, um sie stärker von ihren Wählern abhängig zu machen und weniger von den Parteien.
Wahlen ändern jedoch etwas: Das Erstarken der AfD als Protestpartei zwinge die etablierten Parteien zur Anpassung, womit die Demokratie ordnungsgemäß funktioniere.
Bezüglich der steigenden internationalen Zwänge und der Unterminierung des Subsidiaritätsprinzips (Entscheidungen sollen möglichst nah bei den Betroffenen getroffen werden) erklärt Patzelt, dass nationale Mehrheiten durch übergeordnete Ebenen (wie die EU) und strategische Prozessführung vor internationalen Gerichten umgangen werden können. Ein zentraler Hebel sei die staatliche Vergabe von Fördermitteln und die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Dies bezeichnet er als „staatlich geförderte Verzerrung des politischen Wettbewerbs“ oder Etikettenschwindel, da NGOs so zu „leninschen Transmissionsriemen“ der Regierungspolitik werden. Die Lösung sieht er in der Transparenz der Geldströme – „Follow the money“.
Abschließend fordert Patzelt die Zuhörer auf, bei der Bildung politischer Meinungen dieselbe Sorgfalt, Offenheit und Lernbereitschaft – insbesondere gegenüber Andersdenkenden – anzuwenden, die sie auch beim Kauf eines teuren Gutes walten lassen.
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Prof. Dr. Werner Patzelt | NARRATIVE #137 – Packen wir es an!





