Univ.-Prof. Dr. Franz Allerberger – Leiter der Abteilung für „Öffentliche Gesundheit“ der österreichischen AGES

Der saisonale Effekt

In einer Welt massiver politischer Narrative bemüht sich Prof. Allerberger um wissenschaftliche
Methodik. Robert Cibis spricht mit ihm über seine Wahrnehmung der öffentlichen Diskurse in
Österreich, Deutschland und der Welt.



Prof. Dr. Franz Allerberger ist so was wie der österreichische Lothar Wieler, hat im Gegensatz
zum Chef des Robert Koch-Instituts allerdings Humanmedizin studiert. Eine sehr gute
Ausgangssituation, um die Daten der aktuellen Gesundheitskrise, die Vorgehensweise in
Krankenhäusern und Arztpraxen nüchtern und sachlich zu analysieren. Mit seinem Engagement
hat er auch bei einer Studie von Professor John Ioannidis mitgewirkt, von der er in diesem
Gespräch berichtet. In dem Zusammenhang spricht er auch über das Narrativ um den einst so
angesehenen – und neuerdings viel kritisierten – Stanford-Experten. (51:48)
Professor Allerberger schildert weiterhin die Ereignisse rund um die Pandemie, wie sie sich seit
Anfang 2020 entfaltet haben. Dabei stellt er Maßnahmen heraus, die zunächst noch aus Angst
vor einer möglichen extremen Übersterblichkeit getroffen worden waren – sich aber über die Zeit
als absolut entbehrlich erwiesen hatten. Oder vielmehr: Sie „hätten“ sich als entbehrlich
erweisen können, hätte man sie gelassen. So geht der Mediziner unter anderem auch auf die
zeitlichen Widersprüche ein, etwa den Lockdown, der erst begann, als die Virus-Welle bereits
gebrochen war.
Trotz aller Zahlen, Daten und Fakten ist dies tatsächlich ein Gespräch der Widersprüche.
Besonders stark äußert sich das darin, dass Professor Allerberger zwar als Mediziner redet,
aber oftmals politisch argumentiert. So sagt er beispielsweise, die Impfung sei unerlässlich,
wäre sie doch das einzige Mittel, um die gesellschaftliche Angst vor dem Virus zu
durchbrechen. Das gesellschaftliche Element stellt er dabei über die medizinische
Notwendigkeit, wenn es etwa darum geht, junge Menschen zu impfen, um diese aus der
künstlichen Isolation von Freunden und Vergnügen zu befreien (unter der Voraussetzung, dass
die Impfung sicher ist, wovon er ausgeht). (1:19:26)
Es ist spannend, zu sehen, wie hier nüchterne Fakten und ein augenscheinlich konstruiertes
Hochrisiko-Szenario aufeinandertreffen, sich gegenseitig nicht ausspielen, sondern ein ganz
neues Narrativ erschaffen, über das es sich aber durchaus nachzudenken lohnt. Professor
Allerberger scheint mit einer diplomatischen Art die emotionale Brandstiftung, die die Politik
besonders am Anfang so hemmungslos auslebte, rational entschuldigen zu können. Klar wird
aber auch: Ohne zündeln und Angstverbreiten gäbe es wohl keine Krise.

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