Hier ist eine ca. 25 Minuten-Fassung ohne Einschränkung, unsere OVALplus-Mitglieder können die Sendung in voller Länge geniessen.
“Gemütlich war es nie” – Dr. Wolfgang Herles
Der Schriftsteller, TV-Format Entwickler, politische Journalist und das berühmtes Gesicht des ZDFs Dr. Wolfgang Herles hat nun eine persönliche Biographie der Bundesrepublik mit dem Titel “Gemütlich
war es nie” herausgebracht.
Der Skeptiker ist skeptischer denn je. Denn Distanz zu den herrschenden Narrativen wird immer weniger belohnt.
Der Intellektuelle kennt die Reibung mit den Mächtigen. Es war wohl Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich, der ihn als Chef des ZDF-Hauptstadtstudios absetzte. Zu wenig Schranze, zu viel Journalist.
Im Gespräch mit Filmemacher Robert Cibis erzählt er, wie seine kritische Haltung zu Problemen, z.B. mit der Schule führte und sie ihn dann doch immer weiter gebracht hatte. Herles legt eine beeindruckende Karriere hin und verblüfft weiterhin.
Dr. Wolfgang Herles musste erfahren wie Föderalismus, Verschiedenheit und Wettbewerb in einer offenen Leistungsgesellschaft in den letzten Jahrzehnten abgebaut wurden. Sein Trotz gegen Opportunismus und Moralisierung ist ansteckend.
Gesprächszusammenfassung: Die Berliner Republik und die Macht
Robert Cibis: Herr Dr. Herles, Ihr Buch ist eine Autobiografie, die Sie aber selbst als Biografie der Bundesrepublik bezeichnen. Sie beobachten unser Land seit seiner Gründung. Wo sehen Sie den fundamentalen Bruch?
Dr. Wolfgang Herles: Der Bruch kam mit der sogenannten Wiedervereinigung. Die Bonner Republik war eine Leistungs- und Aufstiegsgesellschaft. Die Berliner Republik ist geprägt von Größenwahn—etwa im Klima- und Migrationsbereich, wo wir nationale Sonderwege gehen—und einem generellen Abstieg. Die Wiedervereinigung ist in ihren politischen und gesellschaftlichen Folgen gescheitert.
Robert Cibis: Sie selbst wurden als kritischer politischer Journalist beim ZDF, als Studioleiter in Bonn, indirekt von Kanzler Kohl gefeuert. Wie ist das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen möglich?
Dr. Wolfgang Herles: Es geschah über direkten politischen Druck. Kohl forderte meine Entfernung, weil das ZDF damals den Staatsvertrag mit den neuen Bundesländern benötigte. Ich war in diesem Moment der Falsche, da ich die parteipolitische Instrumentalisierung des Mauerfalls kritisierte. Das Problem des heutigen Mainstream-Journalismus ist, dass er sich oft wie ein „Lautsprecher der Regierungsarbeit“ verhält und der kritische Diskurs beendet wird.
Robert Cibis: Was steckt hinter dieser Machtausübung? Sie haben Mächtige wie Kohl, aber auch Unternehmer wie Soros und Musk porträtiert. Was treibt diese Menschen an?
Dr. Wolfgang Herles: Mein Lebensprojekt war es, die Macht zu beobachten. Es geht oft nicht um Geld, sondern um die Gier nach Einfluss und danach, die Gehirne der Untertanen zu beherrschen. George Soros spekulierte erfolgreich, weil er grundsätzlich gegen die Meinung der Masse setzte – für ihn war dies ein philosophisches Experiment, basierend auf seinem Skeptizismus, nicht bloße Gier nach Reichtum.
Robert Cibis: Diese Abwesenheit des kritischen Blicks spiegelt sich auch im heutigen Journalismus wider. Das Gebot der „Ausgewogenheit“ ist verschwunden. Warum?
Dr. Wolfgang Herles: Es ist die Moralisierung. Seit dem Ende des Kalten Krieges fehlt ein gleichgewichtiger ideologischer Gegensatz. An seine Stelle trat eine Ideologie, die sich quasi als Religion versteht und nur noch eine Meinung zulässt—die gute, alternativlose. Wer skeptisch ist, wird heute diskriminiert und zum Leugner erklärt.
Robert Cibis: Sie plädieren dafür, dass der mündige Bürger und der Journalist den Staat delegitimieren müssen. Wie können wir der Machtflut begegnen?
Dr. Wolfgang Herles: Das einzige, was die Macht in den Griff kriegt, ist die Teilung der Macht. Ich bin ein glühender Anti-Zentralist und plädiere für einen weit verzweigten Föderalismus nach dem Subsidiaritätsprinzip: So viel Macht wie möglich in den Kommunen.
Robert Cibis: Und welche Haltung raten Sie den Bürgern, um in dieser Realität zu bestehen?
Dr. Wolfgang Herles: Das hört sich langweilig an, aber es ist die Macht des Skeptizismus. Immer auf Distanz bleiben, den eigenen Kopf benutzen und die andere Meinung zur Kenntnis nehmen. Wer gegen das System ist, muss wissen: Macht verdirbt, und wer an die Macht kommt, wird schnell Teil des Systems.
Robert Cibis: Vielen Dank.
Erwähnte Bücher von Dr. Wolfgang Herles
- Gemütlich war es nie – Erinnerungen eines Skeptikers, LMV, 2025
- Die Dirigentin – Roman, Fischer, 2011





