Wie viel Wahrheit können wir ertragen?

Als Stand-up Comedian weiss Nikolai Binner, dass er das mit Witz aussprechen muss, was andere denken. Um zu sehen, welche Geschichten durch die Köpfe der Menschen wandern, braucht es eine besondere Klarheit. Robert Cibis analysiert zusammen mit ihm, warum die Selbsterkenntnis nötig ist, um das grosse Ganze zu fassen.


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Nikolai Binner – Comedian

Bei uns im neuen Format #NAMASTÉ BITCH

Wer nach einer tiefgründigen Unterhaltung sucht über Gott, die Welt, Moral, Gesellschaft und Selbsterkenntnis – der sollte mit einem Comedian reden. Die konkrete Auswahl dafür fällt dieser Tage nicht besonders schwer, scheint Nikolai Binner einer der wenigen seiner Zunft zu sein, mit dem man noch offen über alles sprechen kann. Er lebt die Meinungsfreiheit und hält der Corona-Krise in uns allen mit Herz, Verstand und einem erfrischenden, politisch vollends unkorrekten Humor den Spiegel vor. Ein Mann mit Fantasie ist genau der Richtige, um in dieser Folge von Narrative zu analysieren, wieso vermeintlich brave Mitbürger derzeit so wenig mit Menschenfeindlichkeit, Diskriminierungsdrang und Intoleranz geizen.

Nikolai Binner ist jung an Jahren. Seine Seele hat aber schon ein paar Runden mehr gedreht. Als er sich vor längerer Zeit mit sich selbst einfach nicht mehr wohlfühlen konnte, begann er, systematisch Kontakt zu seinem Innenleben aufzubauen. Ein Prozess, der so vielen Menschen helfen würde, deren Bauchgefühl gemeinhin vermutlich eher einem Styroporklumpen gleicht. Nikolai ist davon überzeugt, dass ein Mangel in sich selbst nie zu einem Mehr für das Individuum führen kann – und entsprechend auch nicht für eine ganze Gesellschaft. Solange die Vorstellung dominiert, dass der Verstand alles ist und das immer weiter in die nachfolgenden Generationen hineinerzogen wird, dürfte es ziemlich schlecht um Deutschlands Seelenleben bestellt bleiben.

Dieser Mangel an Intuition zeigt sich natürlich gerade so eklatant in der Corona-Krise und darin, wie die meisten Menschen damit umgehen. Als aufstrebender Comedian mit viel Talent, Leidenschaft und Fleiß hatte sich Nikolai bis kurz vor die Mainstream-Gefallgrenze gespielt. Und dann kam Corona. Dann kamen die Absagen, die Clubverbote und die Behauptungen, er würde rechts orientiert das Ur-Böse unterstützen. Argumente wie: Es ist egal, was ich erzähle, aber die Meinungsfreiheit muss es erlauben, dass ich darüber nicht meinen Job verliere, ziehen nicht mehr. Und so wurde Nikolai statt zum Liebling der Leitmedien zum „Comedian der Neurechten“ in der TAZ. Mit innerer Stärke, Spiritualität und Spaß an seiner Arbeit gelingt es Nikolai Binner allerdings, sich dieser Angriffe zu erwehren. Er hat sich vielmehr seine eigene Corona-Comedy-Nische kreiert. Finden die Leute das gut? Aber ja! Es sind vielleicht nicht alle, aber es sind solche, die es ebenfalls begrüßen werden, dass er in dieser Folge von Narrative neben Themen wie Kontaktschuld, Cancel Culture, Corona-Angst und Machtpolitik auch über seine spirituelle Erfahrung und Definition des Göttlichen philosophiert. Mit viel Glück werden wir an einen Punkt gelangen, wo Künstler wie Nikolai nicht in Außenseiterrollen hineinkonstruiert werden, sondern wo es ganz natürlich ist, aussprechen zu dürfen, was man aussprechen will. Vielleicht ist die Sendung ein weiterer Schritt in diese Richtung.

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