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Stoned Sapiens
Norman Ohler, dessen Buch „Der totale Rausch“ über Drogen im Dritten Reich die Bestsellerlisten der New York Times stürmte und in über 30 Sprachen übersetzt wurde, verbindet auch in seinem letzten Buch „Der Zauberberg, die ganze Geschichte“ Journalismus mit packender Erzählkunst. In der Narrative Sendung erzählt er von seinem neuesten Projekt und erklärt, was Drogenbosse und Trump gemeinsam haben…
Robert Cibis spricht mit Norman Ohler, einem der wichtigsten deutschsprachigen Autoren. Sie diskutieren Ohlers Werke, seine Recherchemethode und seine philosophische Haltung zum Schreiben.
Ohlers Werke und Schreibstil
Ohler ist Autor mehrerer erfolgreicher Bücher, darunter Der totale Rausch, Der stärkste Stoff und sein jüngstes Werk, Der Zauberberg.
• Der Zauberberg: Dieses Buch, das in Davos spielt, bezeichnet Ohler als „erzählendes Sachbuch“. Es ist im Grunde ein Sachbuch, das auf einem Skiurlaub mit seiner Tochter basiert und die gegenwärtige, vergangene und zukünftige Zeit untersucht.
• Der totale Rausch: Dieses Buch behandelt den Einfluss von Drogen in der NS-Zeit auf die Führung des Regimes, die Soldaten und die Gesellschaft.
• Der stärkste Stoff: Dieses Werk erzählt, wie die CIA verhinderte, dass LSD zu einem Medikament wurde.
Ohler reflektiert über die Unterscheidung zwischen Sachbuch und Roman. Er hält den Roman für die Königsform der Literatur, da er frei von der Leber weg fabuliert und keine faktischen Einschränkungen hat. Das Sachbuch hingegen ist bestrebt, der Wahrheit so nah wie möglich zu kommen. Ohler meint jedoch, dass die Wahrheit letztlich nicht existiere und dass alles, was in Büchern steht, im Grunde „erfunden“ sei, da Sprache eine Fiktion ist. Für ihn liegt die Wahrheit im Roman im Stil, in der wahrhaftigen Sprache.
Sein Antrieb ist es, gegen Konditionierungen und herrschende Narrative vorzugehen.
Recherchemethode und Der totale Rausch
Ohler beschreibt die Entstehung von Der totale Rausch, für das er zunächst einen 1000-seitigen Roman schrieb. Sein Verleger überzeugte ihn jedoch, ein Sachbuch zu verfassen, da das Thema (Drogen im Dritten Reich) zu brisant sei, um es in einem Roman zu „verwässern“. Daraufhin fand Ohler seine eigene Form des erzählenden Sachbuchs, indem er akademische Recherche mit literarischer Darstellung verband.
Für das Buch arbeitete er mit dem führenden deutschen Historiker Hans Mommsen zusammen. Ohler betonte, dass er durch seine originäre Archivarbeit oft gewissenhafter recherchierte als viele Historiker, die meist von bereits publizierten Werken abschreiben. Mommsen selbst zeigte sich erstaunt über Ohlers Funde im Militärarchiv. Beispielsweise hatte Mommsen noch nie gehört, dass die deutsche Kriegsmarine 1944 das SS-Strafkommando („Schulläufer-Kommando“) im KZ Sachsenhausen mietete, um neue „Wunderdrogen“ zu testen, die Kapitänen in Mini-U-Booten helfen sollten, eine Woche lang wach zu bleiben.
LSD und die Geschichte von Der stärkste Stoff
LSD wurde 1943 vom Schweizer Pharmakonzern Sandoz entwickelt. Der Chemiker Albert Hofmann entdeckte die Substanz zufällig bei der Forschung am Mutterkorn. Sandoz testete es intern (im sogenannten „Rauschraum“) und die Mitarbeiter berichteten über gesteigerte Kreativität und Hilfe gegen Depressionen. LSD mache nicht süchtig und verändere die Energiezustände im Gehirn, öffne die „Pforten der Wahrnehmung“.Ohler enthüllte in Der stärkste Stoff die Verbindung zwischen der LSD-Forschung der Nazis und der CIA. Der CEO von Sandoz, Arthur Stoll, stand in engem Briefwechsel mit dem deutschen Nazi-Biochemiker und Nobelpreisträger Richard Kuhn. Kuhn, der den Nobelpreis abgelehnt hatte, um seinem Führer treu zu bleiben, forderte Proben von Sandoz an. Kuhn war an der Suche der Nazis nach einer Wahrheitsdroge beteiligt. Das LSD gelangte daraufhin ins KZ Dachau, wo die SS Experimente zur Bewusstseinskontrolle an Häftlingen durchführte.
Nach Kriegsende beschlagnahmte das US-Militär die SS-Berichte aus Dachau. Ein Berater der US-Streitkräfte für Pharmakologie, Professor Henry K. Beecher, evaluierte das Material und befand es als interessant für „Mind Control“. Die USA übernahmen die Experimente und setzten diese im MK Ultra Programm an amerikanischen Staatsbürgern fort. Die CIA, die eng mit der FDA zusammenarbeitete, verhinderte dadurch, dass Sandoz LSD als legitimes Medikament auf den Markt bringen konnte. In den 1960er Jahren wurde LSD illegalisiert, nachdem es in der Friedensbewegung populär wurde.
Recherche in Firmenarchiven
Ohler beschreibt die Herausforderung der Recherche im Firmenarchiv von Novartis (der Nachfolgerfirma von Sandoz), das unter dem Vorwand der Imagepflege öffentlich zugänglich ist. Um an brisante Dokumente zu gelangen, die ihm der Archivar verweigerte (wie das Protokoll eines Treffens mit einem hohen CIA-Mitarbeiter), wandte Ohler eine Strategie an: Er fragte den Archivaren, ob er jemals LSD gesehen habe, und bot ihm an, ihm welches zu zeigen. Ohler führte das LSD mit sich, da er recherchierte, ob LSD-Mikrodosierung seiner an Alzheimer leidenden Mutter helfen könnte (ursprünglicher Titel: LSD für Mama). Nachdem Ohler dem Archivaren etwas LSD schenkten wollte, lockerte dieser sich und lieferte den Briefwechsel zwischen Stoll und Kuhn, die „Smoking Gun“ für die Verbindung zu den Nazis.
Zukunftsprojekt und Hierarchie
Ohler arbeitet an seinem neuen Buch Stoned Sapiens, einer Weltgeschichte, die die Evolution des Menschen und die Entstehung historischer Epochen durch den Einfluss psychoaktiver Substanzen (Pflanzen und Pilze) untersucht. Er untersucht die Entstehung von Hierarchien in der Gesellschaft und argumentiert, dass die heutige starke Hierarchisierung nicht natürlich sei. Er vermutet, dass die Kontrolle potenter Pflanzen durch Schamanen und Priester zur Entwicklung von Ritualen, Kultur und schließlich Hierarchie führte. Ohler sieht den heutigen „Krieg gegen die Drogen“ (War on Drugs) als ein wichtiges Herrschaftsinstrument. Er prognostiziert, dass die Nationalstaatlichkeit überwunden werden wird, um zu gerechteren Gesellschaften mit gleichen politischen und sozialen Rechten zu gelangen.
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