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Sicherheitssumpf
Führt der Staat beim Terror Regie?
Es sind Begriffe wie „Sumpf“, „Vertuschung“ und „Behinderungen“, die das Gespräch zwischen dem Dokumentarfilmer Robert Cibis und dem Buchautor und Journalisten Thomas Moser dominieren. In der Sendung Narrative sezieren die beiden Männer zwei der größten Traumata der jüngeren deutschen Kriminalgeschichte: den Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz (2016) und die Mordserie des NSU (2000-2007). Mosers These ist so nüchtern wie brisant: Was offiziell als Versagen von Behörden dargestellt wird, trägt in Wahrheit die Züge einer staatlich geduldeten, wenn nicht gar orchestrierten „Spannungspolitik“.
Der „Amri-Komplex“: Mehr als ein Einzeltäter
Im Zentrum der Analyse steht Mosers Buch „Der Amri-Komplex“. Entgegen der offiziellen Darstellung, der Tunesier Anis Amri habe als islamistischer Einzeltäter am 19. Dezember 2016 einen LKW in den Weihnachtsmarkt gesteuert, präsentiert Moser gravierende Widersprüche. „Anis Amri war meiner Meinung nach nicht der LKW-Fahrer“, stellt Moser klar. Er stützt sich dabei auf Zeugenaussagen und forensische Befunde, die in den Untersuchungsausschüssen kaum Beachtung fanden.
So berichteten Augenzeugen von einem Mann, der aus dem Führerhaus flüchtete und helle Stiefel trug. Eine Videoaufnahme kurz nach der Tat zeigt Amri jedoch mit roten Sportschuhen. Noch schwerwiegender wiegt das Fehlen physischer Beweise: Im LKW fanden sich weder Fingerabdrücke noch relevante DNA-Spuren von Amri auf dem Lenkrad oder den Armaturen. Stattdessen tauchten persönliche Gegenstände Amris – wie ein altes Handy ohne SIM-Karte und eine Duldungsbescheinigung – auf seltsame Weise im Fahrzeug auf. Ein angeblich im LKW gefundenes internetfähiges Handy sendete laut Moser noch nach der Tat Signale aus der Gegend von Amris Wohnort, was die Frage aufwirft, wie das Gerät gleichzeitig am Tatort und in der Wohnung sein konnte, es sei denn, es wurde später platziert.
Für Moser war der Anschlag keine spontane Tat eines radikalisierten Asylbewerbers, sondern eine „organisierte Operation“. Er verweist auf ein Netzwerk von mindestens fünf bis zehn Personen und die massive Präsenz von V-Leuten in Amris Umfeld, insbesondere in der berüchtigten Fussilet-Moschee. Allein dort waren Mitarbeiter von fünf verschiedenen Behörden, darunter BKA und Verfassungsschutz, als Quellen aktiv.
Behördenkrieg und das FBI in Deutschland
Ein besonders verstörendes Detail der Recherche betrifft den internen Krieg zwischen deutschen Sicherheitsbehörden. Moser berichtet von einer fundamentalen Auseinandersetzung zwischen dem LKA Nordrhein-Westfalen und dem Bundeskriminalamt (BKA) um V-Leute. In diesem Zusammenhang kam durch die Aussage eines BKA-Abteilungsleiters ans Licht, dass das amerikanische FBI in Deutschland über ein Netzwerk von Verbindungsbeamten verfügt, die direkt in den Landeskriminalämtern und im BKA sitzen.
Diese Struktur war selbst vielen Fachleuten unbekannt. Robert Cibis zieht hier Parallelen zu historischen Terrorakten, bei denen das FBI involviert war, wie dem ersten Anschlag auf das World Trade Center 1993, und wirft die Frage auf, ob ausländische Dienste auch in Berlin ihre Hände im Spiel hatten. Moser bestätigt, dass auch beim NSU-Polizistenmord in Heilbronn zwei FBI-Beamte in Tatortnähe waren. Diese internationale Verflechtung nährt den Verdacht, dass nationale Souveränität in Sicherheitsfragen oft nur eine Illusion ist.
Das NSU-Phantom: Zweifel am Trio
Auch beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) sieht Moser das offizielle Narrativ als löchrig an. Die These, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zehn Morde begingen, während Beate Zschäpe den Rückzugsraum sicherte, lässt sich forensisch kaum halten. „Es gibt bei keinem der Tatorte […] eindeutige DNA und Spuren und Fingerabdrücke von den beiden Uwes“, so Moser.
Besonders der Polizistenmord an Michèle Kiesewetter in Heilbronn wirft Fragen auf. Zeugen sahen blutverschmierte Männer, deren Phantombilder keinerlei Ähnlichkeit mit Böhnhardt und Mundlos hatten. Moser vermutet hinter den Morden eher Strukturen der organisierten Kriminalität oder Auftragsmorde, die möglicherweise durch das Label „Rechtsterrorismus“ verdeckt wurden. Die Neonazi-Szene im Osten, insbesondere der Thüringer Heimatschutz, war derart von V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt, dass eine Unterscheidung zwischen Staat und Szene kaum mehr möglich war.
Cui Bono? Die Strategie der Spannung
Warum sollten staatliche Stellen Terroranschläge zulassen oder gar begünstigen? Im Gespräch kristallisieren Cibis und Moser ein Motiv heraus, das weit über den einzelnen Täter hinausgeht: die „Spannungspolitik“. Terroranschläge erzeugen Angst, und Angst führt dazu, dass Bürger bereitwillig Freiheit gegen Sicherheit tauschen.
Moser argumentiert, dass der Anschlag vom Breitscheidplatz politisch instrumentalisiert wurde, um einen repressiveren Exekutivstaat aufzubauen. Das Narrativ der „Gefahr durch offene Grenzen“ ließ sich durch den Anschlag perfekt bedienen, auch wenn der Anschlag selbst, so Mosers Analyse, gar kein authentischer islamistischer Akt war, sondern möglicherweise inszeniert wurde, um genau diese politischen Konsequenzen zu erzwingen.
Es geht um die „Stunde der Exekutive“. In einem Klima der Bedrohung ziehen sich Legislative und Judikative zurück, während Polizei und Geheimdienste aufgerüstet werden. Moser verweist darauf, dass bereits in den 90er Jahren in Ostdeutschland durch gezielte Unsicherheit die Akzeptanz für den Aufbau neuer Geheimdienststrukturen geschaffen werden musste, die die Bevölkerung nach den Erfahrungen mit der Stasi eigentlich ablehnte.
Ein düsteres Fazit
Das Gespräch endet mit einem Appell an die Wachsamkeit. Die Indizienkette, die Moser vorlegt – von fehlenden Fingerabdrücken im LKW bis zu geschredderten Akten beim Verfassungsschutz – zeichnet das Bild eines Staates, der in dunkle Machenschaften verstrickt ist. „Spannung ist ein Mittel zur Unterwerfung“, fasst Cibis zusammen.
Die Recherchen von Thomas Moser legen nahe, dass die Gewalt, die wir als Terrorismus wahrnehmen, nicht immer nur von externen Feinden ausgeht. Manchmal scheinen die Täter und die Beschützer in einem unheilvollen Tanz vereint, dessen Ziel nicht der Sieg einer Ideologie, sondern der Erhalt und Ausbau von Macht ist. Ob Breitscheidplatz oder NSU – die Wahrheit liegt vermutlich noch immer tief im Sumpf der Akten verborgen.
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